ROBIN WOOD-Magazin 3.2005

Kein Papier aus Raubbau!

Jens Wieting

Gemeinsamer Aufruf von Umwelt- und Verbraucherorganisationen: Papierhandel und –industrie sollen Menschenrechte achten und Urwälder schützen

Für die Produktion von Zellstoff und Papier werden in vielen Erdteilen Menschen von ihrem Land vertrieben und die natürlichen Lebensgrundlagen zerstört. Umwelt- und Verbraucherorganisationen haben deshalb im Juni von Papierhandel und -industrie gefordert, den Altpapieranteil in ihren Produkten zu erhöhen und ausschließlich Zellstoff zu verwenden, der aus einer ökologisch nachhaltigen und sozial gerechten Waldwirtschaft stammt.

Die Präsentation des Aufrufs wurde von ROBIN WOOD-AktivistInnen mit einer Aktion gegen Papierverschwendung und Papier aus Raubbau am Hamburger Fischmarkt begleitet. Um die Papierverschwendung hierzulande erfahrbar zu machen, fuhr ein mit Altpapier beladener Sattelschlepper mit rund 35 Tonnen Gesamtgewicht vor. Das entspricht dem Gewicht der Papiermenge, die in Deutschland in einer Minute verbraucht wird. Der Holzbedarf für den deutschen Papierverbrauch beträgt knapp 30 Tonnen pro Minute, symbolisiert durch die drei Urwaldriesen, die von den AktivistInnen symbolisch abgesägt wurden. Raubbau am Tropenwald auf Sumatra (Foto: Jens Wieting)

Weltweit werden jährlich etwa 15 Milli­onen Hektar Wald zerstört. Jeder fünfte eingeschlagene Baum wird verwendet, um daraus Zellstoff oder Papier herzustellen. In Ländern wie Indonesien und Kanada werden auch Urwälder für Papier gerodet. Indigene und Kleinbauern verlieren dort ihr Land an die Holz- und Zellstoffindustrie und verarmen. Tiere und Pflanzen sterben aus. Der Klimawandel verschärft sich.

Hauptverantwortlich dafür sind die Industrieländer, die über vier Fünftel des Papiers verbrauchen. Damit eine gerechtere wirtschaftliche Entwicklung weltweit möglich wird, müssen sie ihren Papierverbrauch drastisch reduzieren. Um zu verhindern, dass Zellstoff aus einer illegalen, zerstörerischen und sozial ungerechten Waldwirtschaft auf den Markt kommt, sind verbindliche Regelungen notwendig. Entsprechende Gesetze aber fehlen bislang. Umweltorganisationen drängen daher seit Jahren auf die Einhaltung von ökologischen und sozialen Kriterien bei der Herstellung und dem Einkauf von Zellstoff- und Papier durch Handel und Industrie.

Obwohl die meisten Umweltorganisationen sehr ähnliche Ziele verfolgen, gibt es Unterschiede in ihren Kampagnen, etwa die Fokussierung auf den Schutz bestimmter Waldgebiete oder unterschiedliche Kompromissbereitschaft gegenüber der Wirtschaft. Um die gemeinsamen Positionen gegenüber der Papierbranche zu betonen und in die Öffentlichkeit zu tragen, formulierten elf Umwelt- und Verbraucherorganisationen in den vergangenen Monaten einen gemeinsamen „Aufruf an Papierhandel und –industrie für die Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards für Papier“.

Neben den zentralen Anliegen, mehr Recyclingpapier einzusetzen und Umwelt- und Sozialstandards für die Rohstoffherkunft verbindlich festzulegen, fordern die Unterzeichner auch eine unabhängige Kontrolle über die Herkunft des Zellstoffs, mehr Transparenz, saubere Produktionsprozesse und die Wahl kurzer Transportwege. Die Präsentation des Aufrufs am 10. Juni wurde von ROBIN WOOD-AktivistInnen mit einer Aktion gegen Papierverschwendung und Papier aus Raubbau am Hamburger Fischmarkt begleitet: „Für Menschenrechte und Urwälder – Kein Papier aus Raubbau“.

Die Adressaten des Aufrufs - die Verbände von Papierindustrie und Großhandel in Deutschland – haben beide schwarze Schafe in ihren Reihen. So ist die Fabrik von Procter & Gamble (P&G) in Neuss Mitglied im Verband Deutscher Papierfabriken VDP. P&G bezieht Zellstoff aus Brasilien, für dessen Herstellung die Lebensgrundlagen der lokalen Bevölkerung zerstört werden (Link). Ein Skandalbeispiel in den Reihen des Bundesverbandes des Deutschen Papiergroßhandels ist die Papier Union, die weiterhin Büropapier des Herstellers APRIL aus Indonesien bezieht, obwohl dieser Konzern für Regenwaldzerstörung und Landrechtskonflikte verantwortlich ist.

Der VDP hat noch nicht auf den Aufruf reagiert. Der Verband des Papiergroßhandels verwies in seiner dürftigen Antwort auf die FSC-Zertifizierung aller Mitglieder des Verbandes und die Aktivitäten zur Steigerung des Anteils von Recyclingpapierprodukten. Dass Recyclingpapier und FSC-zertifizierte Produkte nur einen Bruchteil im Sortiment des Großhandels ausmachen, steht nicht in dem Schreiben. Der Brief endet mit dem Satz: „Wir bitten um Verständnis, wenn wir als Verband auf die Lieferanten- bzw. Produktauswahl einzelner Mitglieder keinen Einfluss nehmen können.“ Eine gesetzliche Lösung, um den Raubbau für Papier zu stoppen, scheint dringender denn je.

Den Aufruf an Papierhandel und –industrie und viele Hintergrundinformationen finden Sie im Internet unter www.paperwatch.info

Die Unterzeichner des Aufrufs sind: Arbeitsgemeinschaft Regenwald und Artenschutz (ARA), BUND, Forum Ökologie & Papier, Initiative 2000 plus, NABU, Pro Regenwald, ROBIN WOOD, Urgewald, Verband für Umweltberatung NRW, Verbraucher-Zentrale Nordrhein-Westfalen und WWF Deutschland.

 
Papiergroßhandel auf dem Prüfstand

Dem deutschen Papiergroßhandel fehlt es an Umweltbewusstsein und Transparenz. Das ergab eine Befragung der Marktführer durch ROBIN WOOD. Die Branche trifft bislang nur unzureichende Vorkehrungen, Papier aus Raubbau aus seinem Sortiment auszuschließen. Ökologische und soziale Kriterien spielen in der Praxis kaum eine Rolle. Recyclingpapier und FSC-zertifiziertes Frischfaserpapier werden nur in geringen Mengen angeboten.

ROBIN WOOD befragte im April die fünf größten Papierhändler in Deutschland: IGEPA, Schneider & Söhne, Papier Union, Deutsche Papier und Antalis. Sie erzielen mit rund 2,7 Millionen Tonnen Papierprodukten pro Jahr einen Umsatz von über 2,7 Milliarden Euro. Die Unternehmen wurden gefragt, welche ökologischen und sozialen Kriterien sie beim Einkauf berücksichtigen und wie hoch der Anteil an Produkten aus Altpapier sowie FSC-zertifizierter Ware ist.

Besonders enttäuschend: Der Anteil der Produkte aus Altpapier liegt bei den vier Großen der Branche nur zwischen drei und zehn Prozent. Der Kleinste, Antalis, erreicht 16 Prozent. Dabei kann jede Papierfaser viermal wieder verwendet werden, so dass der Papierbedarf überwiegend mit Altpapier gedeckt werden könnte.

Außerdem mangelt es der Branche an Transparenz. Keine der Firmen konnte oder wollte eine Liste der Länder vorlegen, aus denen das Holz bzw. der Zellstoff für die angebotenen Frischfaser-Produkte stammt. Keines der Unternehmen hat sich verpflichtet, Informationen über die Herkunft der Produkte auf der Verpackung anzugeben.

Zwar sind alle der befragten Großhändler FSC-zertifiziert und bieten - mit Ausnahme von Deutsche Papier – bereits Produkte mit diesem Zertifikat an, das für ökologisch und sozial akzeptable Forst­wirtschaft steht. Allerdings handelt es sich nur um einen winzigen Bruchteil der Ware. Nur Papier Union und IGEPA konnten Mengenangaben machen; sie bezifferten den Anteil FSC-zertifizierter Produkte auf unter ein Prozent. Für den Großteil der Produktpalette fehlt ein glaubwürdiger Herkunftsnachweis.

Eigene ökologische und soziale Kriterien für den Bezug ihrer Produkte konnten nur Antalis und Papier Union vorweisen. Papier Union wird den eigenen Ansprüchen jedoch nicht gerecht und kauft weiterhin Papier bei dem Konzern APRIL, der für Umweltzerstörung und Repressalien gegenüber den Einheimischen in Sumatra berüchtigt ist. Antalis hat zwar eine „Einkaufsrichtlinie Umweltpolitik“ formuliert, es fehlt jedoch an konkreten, nachprüfbaren Kriterien. Immerhin schließen Antalis und Deutsche Papier einzelne Konfliktländer wie Indonesien als Rohstoff-Lieferanten aus.

Die genauen Ergebnisse der Befragung finden Sie im Internet unter www.paperwatch.info