
Plaza Mayor in Villa de Leyva
Nachrichten aus Kolumbien
Praktikum im Colegio Verde de Villa de Leyva, Kolumbien, Bericht zum Projekt mit praktischem Schwerpunkt, 5. Semester, Studiengang
Landschaftsplanung, Technische Universität Berlin 1993
Jens Wieting
Inhalt
1. Nach Locombia
2. Organisation und Vorbereitung des Praktikums
3. Kolumbien - Landesdaten
4. Zum Jahr 1992 - die wahren Entdecker Lateinamerikas
5. Natur und Umwelt, Klimaveränderung?
6. Praktikum im Colegio Verde de Villa de Leyva,
„Umweltschutz, kennen die das hier überhaupt?“
7. Literaturhinweise
Fotoseiten:
Ökosysteme Kolumbiens
Flora und Fauna Kolumbiens
1. Nach Locombia
Leicht war mir die Entscheidung nicht gefallen, dem nach
zwei Jahren so schön geregelten Leben in Berlin den Rücken zu kehren. Aber
letztlich gab es nur eine richtige Wahl, denn der Mut sich in ein anderes Land
zu begeben, wird fast immer mit intensiven Begegnungen und Erlebnissen, neuen
Freundschaften und Erfahrungen belohnt, so wie es auch mir ergangen ist.
Vielleicht habe ich nicht so viel gelernt, was ich in deutschen Büros brauchen
kann, aber das Leben in einem anderen Land, sogar auf einem anderen Kontinent
kann keine Institution in Deutschland vermitteln und so lernte ich täglich
Sprache, Kulturen, Ansichten und vor allem Menschen und mich selbst in einer
anderen Umwelt kennen. Kolumbien ist mindestens so magisch wie die Bücher von
Gabriel Garcia Marquez und wer eine Weile dort lebt, hält bald alles für möglich.
In Villa de Leyva lernte ich das alltägliche Leben in
einem der interessantesten Orte des Landes kennen. Während meines Praktikums
wurde mir klar, dass Umweltschutz einen anderen Stellenwert in der
kolumbianischen Gesellschaft besitzt und ich machte gute und schlechte
Erfahrungen in meiner Praktikumsstelle. Ich lernte die sozialen und ökologischen
Probleme der Region kennen und konnte in verschiedenen Bereichen arbeiten. Es
blieb Zeit einen Teil der großartigen Natur Kolumbiens zu erleben und die Gründe
für ihre Gefährdung zu erfahren. Mit Staunen erfuhr ich wie stark Kolumbien
noch heute, 500 Jahre nach der Conquista, von seiner ursprünglichen indigenen
Bevölkerung geprägt ist und welche beeindruckenden Spuren sie hinterließen.
Anderswo macht Kolumbien vor allem Schlagzeilen der Gewalt:
Drogenmafia, Guerilla und staatliche Übergriffe sorgen dafür. Aber das Land
ist groß und Unruhe bricht zur Zeit nur selten und in wenigen Teilen des Landes
aus. Spätestens als ich hörte, dass in Mölln Türken verbrannten, wurde mir
klar, dass mein Land nicht weniger gewalttätig ist und das mit einem in
Kolumbien unbekannten Motiv: Fremdenhass. Die Nachrichten aus Deutschland
erregten auch Aufsehen in Kolumbien. Dort sind es die Drogenmafia und die
Guerilla, die Gewalt ausüben, bei uns kommen die Mörder aus der Nachbarschaft.
Trotz aller Gewalt, die Kolumbianer lieben das Leben. Als
ich von Ecuador nach Kolumbien kam, las ich es auf einem Stein am Straßenrand:
„Yo quiero la vida“ - Ich liebe das Leben. Leben in Kolumbien ist extrem,
Mann oder Frau, jung oder alt, arm oder reich, gut oder böse, alle leben
intensiv. Doch das ist nur ein hilfloser Versuch, diesem Land, das seine
Bewohner oft Locombia (loco - verrückt) nennen, gerecht zu werden, denn es hat
ungefähr 30 Millionen Gesichter und ist dreimal so groß wie Deutschland, von
den Stränden des Atlantiks und Pazifiks bis zu den Schneegipfeln der Anden.
2.Organisation und Vorbereitung des Praktikums
Praktikumsstelle
Meine Entscheidung für ein Praktikum in Lateinamerika ergab sich dadurch, dass
ich nach dem Abitur drei Monate Ecuador bereist hatte und gerne wieder dorthin
oder in ein benachbartes Land gehen wollte. Bei der Suche nach einer
Praktikumsstelle konnte ich auf die Adressen meiner Vorgänger zurückgreifen.
Neben dem Colegio Verde interessierte ich mich auch für die Organisation
Herencia Verde und die Nationalparkverwaltung INDERENA, alle drei Institutionen
boten mir ein Praktikum an. Ich entschied mich für
Villa de Leyva, da ich die Aktivitäten des Colegio Verde interessant
fand und schon in den beiden vergangenen Jahren Studenten aus Berlin dort
gearbeitet hatten. Meine Vorgänger hatten zwar gemischte Erfahrungen gemacht,
doch ich entschloss mich unvoreingenommen mein Praktikum zu beginnen.
Sprache
Ohne Spanisch keine Chance! Fremdsprachenkenntnisse sind selten in Kolumbien.
Ich habe nie so gut eine Sprache gelernt wie während zweier Familienaufenthalte
verbunden mit Unterricht in Quito 1989 und zur Auffrischung vor dem Praktikum.
Dieses Angebot besteht in vielen lateinamerikanischen Städten, wo sich
Touristen aufhalten und es lohnt sich, dafür einige Wochen zu planen. Es ist
ein guter Einstieg in das Land und hält einen davon ab, zuviel Zeit mit anderen
Touristen, mit denen die Verständigung einfacher ist, zu verbringen.
Geld & Flug
Meinen Aufenthalt habe ich selber finanziert, für den Flug habe ich einen
Zuschuß von 900,-DM vom DAAD erhalten (Vordrucke und nähere Informationen im
TU-Hauptgebäude). Lohn habe ich wie erwartet nicht bekommmen, das hatte den
Vorteil, dass ich meine Aufgaben mitbestimmen konnte. Auch brauchte ich weit
weniger Geld zum Leben als in Berlin.
Für den Flug gibt es verschiedene Möglichkeiten (Fluglinien, Routen, Gültigkeit).
Halbjahres- und Jahresflüge sind zunehmend weniger im Angebot und teurer. Den Rückflug
in Kolumbien zu kaufen, ist aber teurer als in Deutschland. Rechtzeitig viele
Angebote zu vergleichen kann eine Menge Geld sparen.
Impfungen
Beratung und Impfungen im Landesinstitut für Tropenmedizin, Engeldamm 62,
O-1020 Berlin. Üblich sind Impfungen gegen Gelbfieber, Typhus, Tetanus, Polio,
Diphterie und (in ihrer Wirksamkeit umstrittene) Gammaglobuline zur Steigerung
der Abwehrkräfte gegen Hepatitis-A. Malaria kommt nur in wenigen
Tieflandregionen vor und hier kann man sich mit Moskitonetz schützen. Ich habe
keine Malaria-Prophylaxe (mit Nebenwirkungen) genommen.
Aufenthaltsgenehmigung
Grundsätzlich ist ein Aufenthalt bis zu 6 Monaten ohne
Visum möglich. Check nach Rückflugticket und Reisekapital denkbar, ich habe
aber nie davon gehört. Nach drei Monaten muss die Aufenthaltserlaubnis im
Reisepass bei der Immigrationsbehörde (DAS) verlängert werden, die Bedingungen
(ein kleines Entgelt) können unterschiedlich ausfallen, ich war mit etwa 30 DM
für weitere drei Monate dabei. Möglicherweise lassen sich auch längere
Aufenthalte so "finanzieren", aber die Willkür hat gesetzliche
Grenzen. Immer als Status Tourist angeben, Arbeit schöpft Verdacht wegen
eventuellem Einkommen. Es besteht schließlich noch die einfache, aber etwas
aufwendige Variante, das Land kurz zu einem Abstecher zu verlassen (Ecuador ist
als Reiseland dafür eher zu empfehlen als Venezuela) und bei der Einreise
erneut drei Monate im Pass zu erhalten. Böse Überraschung war für mich die
inzwischen erhöhte Flughafensteuer bei der Ausreise (etwa 60 DM für 6 Monate).
Man sollte immer eine Reserve von etwa 100 DM in Dollar oder Landeswährung für
solche Fälle haben.
3. Kolumbien - Landesdaten
Lage: 66°-79° westl. Länge/ 12° nördl. -
4°südl.
Breite.
Kolumbien liegt im Nordwesten Südamerikas zwischen der
Karibik im Norden und dem Pazifik im Westen. Das Land grenzt im Nordwesten an
Panama, im Nordosten an Venezuela, im Osten an Brasilien, im Süden und Südwesten
an Peru und Ecuador.
Fläche: 1 138 914 qkm.
Geografie: Nördlich Ecuadors teilen sich die Anden
in drei Bergketten: die Westkordillere (1095 km lang und 2000 m hoch), die
Zentralkordillere (1000 km lang und 3300 m hoch) und die Ostkordillere (1200 km
lang und 2600 m hoch), die alle nach Norden verlaufen. Zwischen den Kordilleren
fließt im Westen der Cauca (1350 km) und im Osten der Magdalena (1538 km) An
der Karibikküste erhebt sich die Sierra Nevada de Santa Marta mit dem höchsten
Gipfel Kolumbiens, dem Bolivar (5775 m, höchstes Küstengebirge der Welt).
Parallel zu der Ostkordillere liegt die Sierra de la Macarena, an der Grenze zu
Panama das Baudó- und das Dariéngebirge. Wirtschaftlich entwickelt und am
dichtesten besiedelt sind die Kordilleren und Teile der Karibikküste. Die Urwälder
an der Pazifikküste im Osten, das Savannengebiet der Llanos und das
Amazonasgebiet im Westen sind kaum erschlossen.
Klima: Kolumbien hat wegen seines differenzierten
Reliefs kein einheitliches Klima. Die Temperatur ist abhängig von der Höhenlage
und nimmt im Durchschnitt um 4°C/1000 m ab
(Bogota 2600 m, 14 °C). Jahreszeiten gibt es nicht, Regen- und Trockenzeiten
fallen regional in verschiedene Zeiten des Jahres.
Städte:
Hauptstadt Bogota 4,8 Mio, Medellin 1,6 Mio, Cali 1,6 Mio, Barranquilla 1 Mio,
Cartagena 0,6 Mio, Cucuta 0,4 Mio E.
Bevölkerung: Etwa 34 Mio. Einwohner (29,5 E/qkm),
58% Mestizen, 20% Weiße, die überwiegend die Oberschicht ausmachen, 14%
Mulatten, 4% Schwarze, 3% Zambos und knapp 2% Ureinwohner. 95% sind katholisch.
Politik: Präsidiale Republik (seit 1886),
Staatsoberhaupt und Regierungschef: seit 1990 Cäsar Gaviría Trujilo, PL
(Liberale), Parlament (161 Sitze): PL: 86, ADM 19 (Linke):18, NFD (Neue Demokr.
Kraft: 17, MSN/PSC (Konservative): je 14, Sonstige: 12.
Soziales: Urbanisierung 70%, Alphabetisierung 83%,
Einw. pro Arzt 1079, Lebenserwartung: Männer 66, Frauen 72 Jahre
Wirtschaft: BSP pro Einwohner 1991: 1533 Dollar,
Arbeitslosenquote 1991: 9,6%, Inflationsrate 27%, Verschuldung 1988: 15 Mrd.
Dollar.
BIP-Entstehung: Dienstleist. 51%, Industrie 32%, Landwirtsch. 17%,
Erwerbstätigkeit: Dienstleist. 54%, Ind. 29%, Landwirtsch. 17%
Hauptexportgüter: Kaffee 18%, Erdöl 17%, Kleidung 10% (Kokain taucht in keiner
Statistik auf!)
Hauptabnehmerländer: USA 42% BRD 11 %, Japan 4%
Hauptimportgüter: Zwischenprodukte 46%, Kapitalgüter 39%, Kosumgüter 10%
Hauptlieferländer: USA 34%, Chile 9%, Japan 9%
4. Zum Jahr 1992 - Die wahren Entdecker Lateinamerikas

Aus dem Goldschatz im Museo de Oro
„Es hat keine Entdeckung in Amerika stattgefunden, es gab
nichts mehr zu entdecken. Alles, was es hier gibt, hatten wir bereits entdeckt.
Wir sind mit dem Wort Entdeckung genauso wenig einverstanden wie mit dem
Terminus es hätten sich zwei Kulturen getroffen. Man muss von einer Invasion
der Europäer in unsere Kulturen sprechen. Wir haben die Folgen dieser Invasion
am eigenen Leib erfahren. Viele unserer Kulturen sind ausgerottet worden.“
Leonardo Viteri, Confederación Nacional de Indígenas del Ecuador
Das heutige Kolumbien war das Eingangstor für die Völker,
die den südamerikanischen Kontinent von Nord- und Zentralamerika aus vor
Jahrtausenden besiedelten. Die ältesten archäologischen Funde bei Cartagena
stammen etwa von 3000 v.Chr. Im Gegensatz zu den großen Kulturen der Azteken
und Inkas, die große Einflussgebiete hatten, existierten in Kolumbien viele
Kulturen relativ kleinräumig nebeneinander. Die Bedeutendsten waren die Tayrona,
Sinú, Muisca, Quimbaya, Tolima, Calima, Tierradentro und San Augustin. Von den
wenigen Zeugnissen dieser Kulturen ist der Goldschmuck und andere Kunstwerke,
die eine sehr hohe handwerkliche Qualität zeigen in dem beeindruckenden Museo
de Oro (Goldmuseum) in Bogota zu sehen. Einige Vitrinen sind mit Lupen
ausgestattet, um die Feinheiten der Metallarbeiten überhaupt in ihrer ganzen
Schönheit erkennen zu können. Sehr bekannt geworden ist San Augustin, wo viele
bis zu mehreren Metern hohe Steinfiguren einer Kultur, die bereits vor der
Ankunft der Spanier verschwunden war, zurückblieben und Tierradentro, ein Ort,
der viele unterirdische bemalte Grabkammern aufweist.
Welche hohe Entwicklung diese Völker erreicht hatten, als
ihr Fortbestand durch die europäische Invasion auf gewaltsame Weise beendet
wurde, lässt sich an den Spuren der Tayrona-Kultur in der Sierra Nevada de
Santa Marta ahnen. Erst 1976 wurde hier die Ciudad Perdida, die „Verlorene
Stadt“, in den entlegenen von Urwald bedeckten Bergen von Grabräubern
entdeckt. Auf einer Fläche von etwa 2 qkm war hier bis zur Ankunft der Spanier
das Zentrum einer ausgedehnten, besiedelten Region, die von den Schneegipfeln
bis zu der Karibikküste reichte. Insgesamt existierten etwa 2000 km mit Steinen
befestigter Wege und Hunderte von Siedlungen, deren steinerne Fundamente,
Treppen und Wege heute noch zu finden sind. Die Tayrona nutzten die natürlichen
Ressourcen der gesamten Region bis zum Meer, von dem sie Meerestiere, Salz und
den Kalk der Muscheln zum rituellen Kauen von Koka-Blättern benötigten.
Christoph Columbus erreichte nie Kolumbien, es war sein Gefährte
Alonso de Ojeda, der 1499 an die Karibikküste nahe der Sierra Nevada de Santa
Marta gelangte. Der Reichtum an Gold der Ureinwohner gebar den Mythos von El
Dorado, dem unermesslichen Goldschatz. Auf der Jagd nach ihm wurden fast alle präkolumbianischen
Kulturen verfolgt und ausgerottet. Die Kultur der Tayrona hörte nach etwa 1000jähriger
Dauer auf zu existieren. Ihre Nachfahren, die Koguis und Arhuacos, haben viel
von ihrer Kultur bewahrt. Sie besitzen das unschätzbare Wissen der
medizinischen Wirkungen der Pflanzen des Urwalds und des Umgangs mit der Natur.
Noch heute leben über 80 verschiedene ethnische Gruppen in Kolumbien. Erst in
den 80er Jahren kamen die Nukak-makú im Amazonasgebiet in Kontakt zur
kolumbianischen Zivilisation. Viele von ihnen starben an den Masern. Ihre
Zukunft ist ungewiss.
5. Natur und Umwelt
Ökosysteme und Artenvielfalt
Aufgrund seiner besonderen Lage äquatorial nahe der Landbrücke
zwischen den beiden amerikanischen Kontinenten vereinigt Kolumbien auf seiner
Landesfläche eine Vielzahl verschiedener Ökosysteme und die höchste
Artenvielfalt der Welt. Die wichtigsten Lebensräume eingeteilt nach der Höhenlage
sind der tropische Regenwald, der subandine und andine Wald und die Paramo
zwischen der Baumgrenze und der Zone des ewigen Schnees. Kolumbien umfasst 0,8%
der Landfläche der Welt, aber 10% aller Arten von Lebewesen der Welt kommen
hier vor. Bis heute wurden etwa 1,5 Mio. Arten von Lebewesen auf der
Welt beschrieben. Schätzungen gehen davon aus, dass es ca. 20 Mio. Arten gibt
und täglich 30 - 300 Arten ausgerottet werden. In
Kolumbien gibt es etwa 55000 Pflanzenarten (davon etwa ein Drittel endemisch und
2000 medizinisch von Bedeutung) und 3000 Landwirbeltierarten (359 Säugetier-,
1721 Vogel-, 407 Amphibien-, 338 Reptilienarten). Zum Vergleich: auf dem
afrikanischen Kontinent gibt es insgesamt 30000 Arten. Etwa 50% aller Arten der
Welt existieren in den tropischen Regenwäldern, diese Artenvielfalt ist akut
bedroht: 1982 gab es noch 10 Mio qkm tropische Wälder, in den folgenden 5
Jahren wurden 100.000 qkm zerstört. Ursprünglich war Kolumbien zu 75% mit Wäldern
bedeckt, heute ist es weniger als die Hälfte des Landes.
Nationalparks
Das Instituto Nacional de los Recursos Naturales Renovables
y del Ambiente (INDERENA) verwaltet 42 Schutzgebiete (33 Nationalparks) mit
einer Fläche über 90000 qkm (etwa 8,5% der Landesfläche), die die ökologische
Vielfalt des Landes repräsentieren. Die Ausweisung der Schutzgebiete garantiert allerdings keinen wirksamen
Schutz, INDERENA beschäftigt nur 280 bezahlte Arbeitskräfte, mit anderen
Worten eine Person wacht über 30.000 ha. Dabei sind die Probleme immens,
35% der Flächen der Schutzgebiete befinden sich noch in Privateigentum, weitere
20% wurden besiedelt, bevor der Schutzstatus eingerichtet wurde und 10% sind von
Siedlern besetzt. In vielen Gebieten operieren Guerillagruppen, die Drogenmafia
und paramilitärische Gruppen,
kleinkriegführende Landbesitzer
und Konflikte zwischen Ureinwohnern und Siedlern schaffen weitere Probleme.
Umweltpolitik
Es bestehen zahlreiche Gesetze zum Schutz der Umwelt in
Kolumbien. Die schwerwiegenden Umweltprobleme entstehen abgesehen von den sozioökonomischen
Ursachen durch Vollzugsdefizite wie mangelnde Kontrolle und Korruption. 1991
wurde Umweltschutz in der Verfassung aufgenommen, es existiert ein Nationaler
Umweltplan und ein Umweltministerium soll eingerichtet werden. Den ökonomischen
Ursachen der Umweltzerstörung wird allerdings kein Einhalt geboten, die
neoliberale Regierung Gaviria verfolgt ebenso wie die Regierungen in Bolivien,
Peru und Ecuador eine weltmarktorientierte Politik der Öffnung, die die reichen
natürlichen Ressourcen der Andenländer schutzlos preisgibt, was vor allem an
den Aktivitäten der Erdölmultis in den tropischen Regenwaldgebieten, in denen
noch viele Völker der Ureinwohner um das Überleben kämpfen, deutlich wird.
Ein weiteres Beispiel dafür ist die Schließung des letzten Teilstücks der
Panamericana zwischen Nord- und Südamerika quer durch einen der unberührtesten
Urwaldwinkel der Welt, den Choco Kolumbiens, der „megadiverse“ Artenvielfalt
beheimatet. Offen ist bis jetzt die Frage, welcher der beiden Kontinente
wirtschaftlich mehr von dieser Verbindung profitieren wird - der reiche Onkel
Sam oder sein Hinterhof?
Klimaveränderung?
Angeblich wegen einer Verlagerung des Pazifikstroms El Nino
fielen im vergangenen Jahr nur wenig Niederschläge in Kolumbien. Da 80% des
Stromes mit Wasserkraft erzeugt wird und die Kraftwerke sich in einem schlechten
Zustand befinden, wurde im ganzen Land der Strom rationiert, vielerorts bis zu
neun Stunden täglich. Der wirtschaftliche Schaden wird auf mindestens eine
Milliarde. Dollar geschätzt. Auch wenn eine Ursache in Fehlplanungen und
Skandalen in der Energiewirtschaft liegt, so wurden diese Fehler doch erst in
der Dürre offensichtlich. Nicht nur in Kolumbien hat 1992 das Klima verrückt
gespielt. Im mittleren Osten gab es den kältesten Winter der letzten 40 Jahre,
Afrika litt unter der schlimmsten Dürre des letzten halben Jahrhunderts, in
Australien fiel der Sommer aus, der Winter war der kälteste der letzten 140
Jahre.
In Teilen der USA war es der heißeste Sommer der letzten
97 Jahre. In vielen Ländern Zentralamerikas, in Peru und Ecuador, aber auch in
Nigeria und Zambia, mußte ebenfalls Wasser und Strom rationiert werden („Semana“,
„Cuando calienta el sol“, Junio 30, 1992). Die Häufung von extremen
Klimaereignissen ist auffällig und verstärkt den Verdacht, dass die befürchteten
Klimaveränderungen durch den Treibhauseffekt sich bereits ankündigen. Es sind
nicht nur die Güter der Welt ungerecht verteilt, auch die Lasten sind ungleich.
Während die Bevölkerung der Industrieländer, eine Minderheit der Weltbevölkerung,
etwa 80% der gobalen Kohlendioxidemissionen, die maßgeblich für den
Treibhauseffekt verantwortlich sind, verursacht, werden die Folgen vor allem die
Menschen in den Entwicklungsländern betreffen. Die Trockenheit in Kolumbien
1992 hat einen Vorgeschmack auf die möglichen Folgen von Klimaveränderungen
gegeben.

Folgen der Trockenheit in der Provinz Alto Ricaurte,
Oktober 1992
6. Praktikum im Colegio Verde de Villa de Leyva
Der Ort: Villa de Leyva - Ort mit viel Energie
Villa de Leyva, im Zentrum des Landes in dem historisch
bedeutenden Bezirk Boyaca gelegen ist in etwa vier Stunden von der Hauptstadt
Bogata aus erreichbar, eine kurze Fahrzeit gemessen an den Dimensionen des
Landes. Die außergewöhnliche Schönheit des Ortes und seine leichte
Erreichbarkeit ziehen viele Touristen aus dem In- und Ausland an. Wer von Tunja,
Hauptstadt Boyacas, den letzten Teil der kurvenreichen Andenstrecke zurücklegt,
wird vielleicht überrascht sein von der zerklüfteten, erodierten Landschaft -
nicht so grün wie man sich Südamerika gerne vorstellt und wie es auch hier
einmal war.
Vor Ankunft der spanischen Conquistadores war diese Region
von Wald bedeckt, denn die ursprüngliche Bevölkerung, das Volk der Muiscas
wusste die natürlichen Ressourcen zu nutzen, ohne sie zu zerstören. Heute sind
nur noch Reste von andinem Wald in der Ostkodillerre Kolumbiens vorzufinden, so
im Schutzgebiet Iguaque bei Villa de Leyva, benannt nach der Lagune, aus der
nach der Mythologie der Muiscas die Menschheit stammt. Es scheint kein Zufall zu
sein, dass dieser besondere Ort Kolumbiens hier entstanden ist, wo es „viel
Energie“ gibt, wie die Leute sagen.
Vor 140 Millionen Jahren existierte ein Binnenmeer in
diesem Raum, dass so zahlreiche Fossilien hinterließ, dass damit die Fußböden
in den Klöstern gepflastert wurden. Villa de Leyva wurde 1572 gegründet und am
4. Oktober 1812 fand hier der erste Kongress der Vereinigten Provinzen von Nueva
Granada statt. Bis heute leben viele bedeutende Politiker, Künstler und
Geistliche an diesem Ort. Villa de Leyva wird als nationales Monument geschützt
und erhalten, Häuser, Straßen und Plätze haben sich kaum verändert
An Wochenenden und Feiertagen ist das Ortsbild von
Touristen geprägt, die eine wichtige Erwerbsquelle für die Einwohner
darstellen. Jeden Samstag ist auch der Marktplatz voller Leben, wenn alle Bauern
der Region hier ihre landwirtschaftlichen Produkte verkaufen. Unter der Woche
aber ist nur wenig Bewegung im Dorf und das ruhige Leben unter dem weiten
Andenhimmel hat einen ganz besonderen Reiz.

Markt in Villa de Leyva
Die Organisation: Das Colegio Verde - Grünes Zentrum in
Kolumbien?
1987 wurde das Colegio Verde in Villa de Leyva mit der
Absicht gegründet, das Zentrum einer grünen Bewegung zu bilden, das der
Umweltzerstörung begegnet. Vorsitzende der Non Government Organisation (NGO)
ist Margarita Marino de Botero, wohl die bekannteste Umweltschützerin
Kolumbiens, vormals Generaldirektorin des Nationalinstituts für erneuerbare natürliche
Ressourcen und Umwelt (INDERENA) und Mitglied in der Brundtland-Kommission der
UN für Umwelt und Entwicklung. Die verschiedenen Projekte der Umweltbildung und
Entwicklung werden überwiegend von ausländischen
Entwicklungshilfeorganisationen finanziert.
Untergebracht ist die Institution in dem Convento San
Fransisco, eine wunderschöne (leider baufällige) Klosteranlage mit einer
Kirche, die bereits verschiedene andere Nutzungen hinter sich hat. Die Räumlichkeiten
sind ideal für die Bücherei, die etwa 10000 Titel der Umweltliteratur, 300
Videos und weitere Medien umfasst. Außerdem können hier Kurse, Seminare und
Konferenzen stattfinden. Auch das Herbarium, das die Pflanzenarten der Region
dokumentiert, ist hier untergebracht. Der am weitesten entwickelte Bereich des Colegio Verde sind
die Publikationen, neben einer Zeitschrift sind bereits mehrere Schriften die
sich der Umweltplanung und Umwelterziehung widmen, herausgebracht worden.
Seit 1990 betreibt das Colegio Verde mit Unterstützung der
Welthungerhilfe ein Projekt der ökologischen Landwirtschaft mit den
Schwerpunkten Bodenschutz und Erosionskontrolle in der von erheblicher Erosion
betroffenen Provinz Alto Ricaurte, deren Einwohner hauptsächlich von der
Landwirtschaft leben. Ziel ist es, die Lebensbedingungen der Campesinos in der
Region zu verbessern. Das Projekt richtet seine Aufmerksamkeit auf die
Ressourcen, von denen die landwirtschaftliche Aktivität der Kleinbauern abhängig
sind. Mit etwa 30 Campesino-Familien, die zusammen etwa eine landwirtschaftliche
Nutzfläche von 60 ha bewirtschaften, versucht das Colegio Verde ökologische
Verbesserungen sowohl durch Rückbesinnung auf Methoden der Ureinwohner und der
bäuerlichen Tradition als auch durch neue Erkenntnisse alternativer
Landwirtschaft zu erreichen.
Das Projektgebiet befindet sich in den Hochtälern der
Ostkordillere Kolumbiens im Departamento Boyaca, in den Regionen, die historisch
als die Provinzen Alto Ricaurte und Centro bekannt sind und hat eine Ausdehnung
von 684 qkm. Die Höhen sind zwischen 2000 und 2800 m. Es umfasst die Gemeinden
Sachic, Sutamarchan, Santa Sofia, Samac, Cucaita, Tinjaca und Villa de Leyva. Die mittlere Temperatur liegt zwischen 15 und 17°C, der
mittlere jährliche Niederschlag bei 700 mm mit örtlichen Unterschieden. Einige
Gebiete neigen wegen langer Trockenperioden und starkem Wind zur Desertifikation.
Das ehemals bewaldete Gebiet, dass von den Spaniern in ein Kornanbaugebiet
verwandelt wurde, weist heute eine Landschaft mit erodierten Bergen mit wenig
oder keiner Vegetation auf.
Die beteiligten Campesinos, die kaum über Mittel verfügen,
erhalten eine direkte Unterstützung in Form von Sachmitteln wie Werkzeugen,
Saatgut und einheimischen Bäumen, die als Erosionsschutz angepflanzt werden.
Weitere Maßnahmen des Erosionsschutzes wie Windschutzzäune und Terassierung,
Bodenverbesserung durch Kompostierung organischer Abfälle, Mischkulturen statt
Monokulturen und Verzicht auf chemische Düngung und Schädlingsbekämpfung
stehen im Mittelpunkt der alternativen Landwirtschaft, die das Colegio Verde
verbreiten möchte, um die intensive Landwirtschaft, die die Böden ruiniert
hat, abzulösen. Als Experimentierfeld für die neue Form der Landwirtschaft
dient die Granja Verde, die 3 ha umfassende Versuchsfarm, auf der verschiedene
Kulturen, Kompostierung und Regenwurmzucht, Regenwasserauffangbecken und Bewässerungsmethoden
erprobt werden. Das Programm umfasst ebenfalls die Erprobung und Anwendung
angepasster alternativer Technologien, wie Wasserfilter, verbesserte Küchenherde,
Werkzeuge etc.
Ein weiterer Schwerpunkt des Colegio Verde ist das Programm
der andinen Artenvielfalt. Es umfasst im wesentlichen die Projekte Botanischer
Garten und Herbarium, die die Pflanzen der Region repräsentieren. Viele Schulen
haben mit dem Colegio Verde ein Arboretum angelegt, damit die Schüler die
wichtigsten Bäume und ihren Nutzen kennen.
Bis heute ist das Colegio Verde mit Sicherheit noch nicht
zum Ausgangsort einer grünen Revolution geworden. Umfang und Erfolg der
Projekte sind eher bescheiden zu nennen angesichts der hier wie überall
fortschreitenden Umweltzerstörung. Leider erweckt das Colegio Verde in seinen
Veröffentlichungen oft Erwartungen, die hinter der Wirklichkeit zurückstehen.
Diese Erscheinung scheint auf die Präsidentin der Organisation zurückzugehen,
der die Institution eher als ein Prestigeobjekt auf internationaler Ebene
wichtig zu sein scheint.

Die Granja Verde, umgeben von der erodierten Landschaft von Villa
de Leyva
Das Praktikum: Rapidograph und Pinsel, Hacke und Spaten
Bei der Vorstellung im Colegio Verde wurde ich sehr
freundlich aufgenommen und in die verschiedenen Arbeitsbereiche eingewiesen.In
der ersten Zeit machte ich mich vor allem bei den alltäglichen Aufgaben wie
Fahrdiensten und Bewässerungs- und Feldarbeiten auf der Versuchsfarm und im
Botanischen Garten nützlich. Die körperliche Arbeit unter freiem Himmel war
eine willkommene Abwechslung. Der Botanische Garten ist noch im
Entstehungsprozess und Pflanzarbeiten, Bewässerung, Gestaltung und Pflege von
Beeten, Wegen und Relief gehörten zu den anfallenden Arbeiten.Auf der Granja
Verde pflanzte ich Bäume und verteilte Kompost, half säen und baute
Windschutzzäune.
Ich fand schnell heraus, dass ich in einem ausgewogenen
Verhältnis Hilfsarbeiten und besondere Aufgaben ausführen konnte und außerdem
Zeit hatte, das Informationsangebot des Colegio Verde zu nutzen. Meine erste
Aufgabe war ein Plan für einen kleinen Campingplatz mit Klohäuschen, den wir
gleich darauf in die Tat umsetzten. Als nächstes brachte ich die Versuchsfarm
zu Papier, um Besuchern einen Überblick über die Aktivitäten auf dem Gelände
zu ermöglichen. Doch im Botanischen Garten fehlte noch das Wichtigste: die
Schilder. Also sägten wir Baumscheiben zurecht, die ich schwarz grundierte und
dann mit dem spanischen und lateinischen Namen sowie dem Nutzen der Pflanze
versah.
Hinzu kamen Schilder, die auf dem Gelände des Botanischen
Gartens ökologische Probleme und auf der Granja Verde die Projekte in der Art
eines Lehrpfades beschrieben. Oft begleitete ich den Botaniker Manuel Galvis bei
Führungen in den Projekten des Colegio Verde und Exkursionen in das
Schutzgebiet Iguaque, wo ich die andine Flora kennenlernte und für das
Herbarium fotografisch festhielt. Mit dem Agronom Fabriciano Otalaro besuchte
ich die Campesinos, die an dem Projekt Ökologische Landwirtschaft beteiligt
sind. Im Dezember besuchte ich den Umweltgipfel ECOMUNDO in Cali, der
verschiedene Schwerpunkte der Umweltkrise näher beleuchtete. Wegen
Organisationsmängeln war den Veranstaltungen allerdings schwer zu folgen. Ende
Januar 1993 war das Colegio Verde Tagungsort des Seminars „Städtische Armut,
Umwelt und Non Government Organisations in Lateinamerika“, zu dem Vertreter
von NGOs aus Argentinien, Brasilien, Chile, Costa Rica, Ecuador, El Salvador,
Mexiko, Peru, Uruguay und Venezuela nach Villa de Leyva kamen. Die Arbeit der
vertretenen NGOs richtet sich hauptsächlich auf die Verbesserung der Lebens-
und Umweltbedingungen der ärmsten Teile der Bevölkerungen. Die vielseitigen
und interessanten Tätigkeiten gestalteten das Praktikum abwechslungsreich und
lehrreich.
„Umweltschutz? Kennen die das hier überhaupt?“
So fragten zwei Schweizer Touristen, denen ich in Villa de
Leyva von meinem Praktikum erzählte. Angesichts eines Ortes ohne Kläranlage
und mit wilder Müllkippe entsteht wohl sehr schnell der Eindruck, dass wir die
Umwelt besser schützen. Ein Gedanke, der nicht nur dumm ist, sondern auch
falsch, denn wir in den industrialisierten Ländern sind es, die der Erde den
Garaus machen. Der weitaus größte Teil der Umweltbelastungen, die globale
Probleme verursachen, entsteht durch die Verschwendungssucht in den Industrieländern,
in denen nur eine Minderheit der Weltbevölkerung lebt, von den Folgen betroffen
sein werden vor allem die Länder der Dritten Welt. Auch die Vernichtung der natürlichen
Ressourcen in den Entwicklungsländern begründet durch ein ungerechtes
Weltwirtschaftssystem liegt letztlich in unserer Verantwortung. Wir leben den
armen Ländern bis heute vor, was wir unter einem „entwickelten“ Leben
verstehen: Autos, McDonalds und Atomkraftwerke. Viele Entwicklungsländern
fordern dasselbe Recht auf Konsum und Verschmutzung. Wir haben es nach
Jahrzehnten uneingeschränkten Konsums noch nicht begriffen: Wenn wir nicht mit
dem Verzicht beginnen, wird es keine Rettung für diesen Planeten geben.
Vielleicht ist dies meine wichtigste Einsicht aus Kolumbien: Hoher
Lebensstandard heißt nicht hohe Lebensqualität.
7.
Literatur
Corporación
Nacional de turismo - Colombia
Cuadernos Verdes, Zeitschrift des Colegio Verde, Nr. 1-6
Dydynski, K.,
Colombia, South Yarra, Australia 1988
Ecoguías para
el Municipio Colombiano, Colegio Verde 1992
Fischer
Weltalmanach 1992
Gonzáles
Posso, Andrés, Guía de una experiencia de agricultura ecológica en el Alto
Ricaurte, Colegio Verde 1992
Galleano, E., Die offenen Adern Lateinamerikas, Wuppertal
1977
Harenbergs Länderberichte 1993/94
Hübener et. al. (Hg.), Weißbuch Lateinamerika, Wuppertal
1991
INDERENA,
A Guide to the National Natural Parks of Colombia, Bogota 1989
Molano Barrero,
Joaquín, Villa de Leyva - Ensayo de interpretación social de una catástrofe
ecológica, Revista Ecológica Nr. 9, 10, 11/12, 13
Zeitungsmeldungen aus „El Tiempo“, „El Espectador“, „Semana“ und dem Taz-Archiv
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