ROBIN WOOD-Magazin 5.2003

Wo bleibt das Urwaldschutzgesetz?

Jens Wieting

Die meisten Holz und Holzprodukte können bis heute ohne aussagekräftige Zertifikate ganz legal gehandelt werden und das, obwohl in vielen Herkunftsländern sogar Urwälder für den Holzexport illegal kahl geschlagen werden. Nach jahrelanger Untätigkeit stellte Umweltminister Jürgen Trittin im Frühjahr 2005 endlich den Entwurf für ein Urwaldschutzgesetz vor. Während die Umweltorganisationen sich einhellig für das Gesetz aussprechen, will der Holzhandel nichts davon wissen. Durch die geplanten Neuwahlen könnte das Vorhaben allerdings auf der Strecke bleiben.

Tropischer Regenwald in Mittelamerika: Die letzten Urwälder weltweit müssen geschützt werden (Foto: Jens Wieting)

Als ROBIN WOOD im Frühjahr bei der Lifestyle-Kette Butlers nachfragte, welche Zertifikate für die angebotenen Gartenmöbel aus Nyatoh vorliegen, schickte das Unternehmen ein nichtssagendes Papier, in dem nicht Nyatoh, sondern die Tropenhölzer Keruing und Bangkirai genannt waren. Nyatoh stammt aus Südostasien, wo besonders viel Wald illegal eingeschlagen wird. Nach ROBIN WOOD-Protestaktionen in mehreren Städten lenkte Butlers ein und erklärte in Zukunft ganz auf Produkte aus Tropenholz verzichten zu wollen. Wäre das Urwaldschutzgesetz schon in Kraft und die vorgesehene Übergangsfrist verstrichen, hätte Butlers auch strafrechtlich belangt werden können.

Das geplante Gesetz verbietet den Besitz und die Vermarktung von Holz und Holzprodukten aus illegalem Einschlag in Urwäldern. Dazu gehören Rohholz, Bretter, Sperrholz, Spanplatten, Holzkohle, Zellstoff, Papier und Papier sowie Möbel und Spielzeug aus Holz. Welche Wälder zu den Urwäldern zählen, soll durch das Gesetz bestimmt werden, wobei noch Diskussionsbedarf hinsichtlich der Mindestgröße besteht, denn eine allgemein anerkannte Definition fehlt. Naturschützer möchten, dass schon kleine Flächen unberührter Wälder (kleiner als 10 Hektar) als Urwald definiert werden, Wirtschaftsvertreter lehnen das ab.

Um legal und illegal eingeschlagenes Holz unterscheiden zu können, muss der Weg des Holzes vom Einschlag bis in den Handel in Deutschland zurückverfolgt werden können. Zu diesem Zweck verlangt das Gesetz von größeren Vermarktern (Umsatz über 100.000 Euro) eine Bestätigung für ihre Holzprodukte, dass das Holz nicht illegal in Urwäldern eingeschlagen wurde. Sie tragen die Beweislast, da anderenfalls - wie bisher - keine Kontrolle durch Vollzugsbehörden möglich wäre. Die Bestätigung soll mindestens Angaben über den für den Einschlag Verantwortlichen, Ort, Zeitpunkt und Umfang des Einschlags, die betreffenden Rechtsvorschriften, etwaige Zwischenabnehmer sowie Name und Sitz der Zertifizierungsstelle umfassen.

Sehr kritisch ist die Frage, welche Dokumente als Nachweis für eine akzeptable Herkunft von Holz anerkannt werden sollen. Laut Gesetzentwurf sollen die Bestätigungen über den legalen Holzeinschlag von Zertifizierungsstellen stammen, die durch das Bundesamt für Naturschutz anerkannt werden. In der Praxis könnte sicher schnell Einigkeit erzielt werden, dass das von vielen Umweltorganisationen akzeptierte Siegel des Forest Stewardship Council (FSC) einen guten Nachweis für die Einhaltung der Gesetze darstellt. Alle anderen international verbreiteten Zertifikate weisen allerdings erhebliche Schwächen bei ökologischen und sozialen Standards, manche taugen nicht einmal als Nachweis für die Einhaltung der Gesetze. Besonders drastisch versagt das von der malaysischen Tropenholzlobby geförderte Siegel MTCC, das weder Nachhaltigkeit noch Legalität bescheinigen kann.

Dennoch steht zu befürchten, dass der Holzhandel darauf drängt, dass auch Zertifikate wie das MTCC-Siegel als Nachweis anerkannt werden, wenn das Urwaldschutzgesetz verabschiedet würde. Dieselbe Diskussion fand bereits in den vergangenen Jahren statt, nachdem SPD und Grüne im Koalitionsvertrag 2002 vereinbart hatten, für die öffentliche Beschaffung von Holz die Standards des FSC als erforderlichen Nachweis festzulegen. Schon bei diesem weniger ambitionierten Vorhaben hat sich die Regierung bis heute gescheut, die Ankündigung gegen die Lobby des Holzhandels umzusetzen.

Der Entwurf für das Urwaldschutzgesetz gehört zu den Vorhaben der Regierung, die durch die Ankündigung von Neuwahlen zum Stillstand gekommen sind. Es könnte sein, dass die Ära Rot-Grün vorzeitig endet, ohne dass konkrete Maßnahmen zur Unterstützung ökologisch und sozial verantwortlicher Forstwirtschaft umgesetzt werden. Für den Fall einer Regierung Merkel bleibt nur die schwache Hoffnung, dass die CDU/CSU-Fraktion es ernst meinte, als sie 2004 einen Antrag in den Bundestag einbrachte, den Besitz und die Vermarktung von Holz und Holzprodukten zu unterbinden, wenn diese aus illegalem Einschlag in Urwäldern stammen. Abgeordnete der FDP dagegen möchten Holz und Wälder lieber den Kräften des Marktes überlassen und glauben, so der Tenor ihrer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung, dass das neue Gesetz zu einer „starken Imagebeschädigung aller Holzprodukte“ führen könne. Es sieht schwarz aus für den Urwald.

Der Gesetzentwurf sowie verschiedene Hintergrundinformationen sind auf der Webseite des Umweltministeriums zu finden: www.bmu.de

ROBIN WOOD-Tipp: Fragen Sie die KandidatInnen für den Bundestag in ihrem Wahlkreis, ob und wie sie sich für die schnelle Verabschiedung des Urwaldschutzgesetzes einsetzen werden.